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Beitrag vom 09.03.2013
Frauen, unternehmt was! Studie Wachstumspotenziale inhaberinnengeführter Unternehmen - Wo steht Deutschland im EU-Vergleich?
Julia Lorenz
"DER Unternehmer" ist männlich und trägt Anzug. Warum eigentlich? Frauen wirtschaften kreativ, nachhaltig und immer erfolgreicher. Erforscht wurde dies in einer neuen Studie, die nicht...
...nur die Situation von Unternehmerinnen und Gründerinnen beleuchten, sondern auch potentielle Hemmnisse für den Schritt zur Selbstständigkeit aufzeigen will.
Weibliches Engagement in der Existenzgründung ist längst kein Randphänomen mehr. Das hat auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie erkannt: Im Auftrag des BMWi führte Rambøll Management Consulting die Studie "Wachstumspotenziale inhaberinnengeführter Unternehmen - Wo steht Deutschland im EU-Vergleich?" durch, die am Freitag, den 8. März 2013 pünktlich zum Internationalen Frauentag im Gründerinnenzentrum der WeiberWirtschaft eG präsentiert wurde - und zwar in bester Tradition:Dr. Katja von der Bey, Geschäftsführerin der Genossinenschaft, erinnerte sich auf der Pressekonferenz, dass eine der ersten Studien dieser Art im Jahre 1985 den Anstoß zur Gründung der WeiberWirtschaft lieferte. Die neue, 2012 durchgeführte Studie behandelt neben länderübergreifenden Analysen und dem aktuellen Forschungsstand zu Gründerinnen und Unternehmerinnen auch Spezifika des "Unternehmerinnentums" und ermittelt Handlungsempfehlungen zur Stärkung der unternehmerischen Initiative von Frauen.
Weibliches Engagement auf dem Vormarsch
Es sieht gut aus für Frauen in der Wirtschaft: Nach Polen ist Deutschland der Staat mit dem höchsten Anteil an selbständigen Frauen. Über ein Drittel aller Selbständigen ohne MitarbeiterInnen sind hierzulande weiblich, und bereits seit dem Jahr 2002 sind 51 Prozent mehr Frauen, die ihre Gründungsideen in die Tat umgesetzt haben, in der deutschen Wirtschaft unterwegs.
Im EU-Vergleich fällt auf: Je geringer das Bruttoinlandsprodukt, desto ausgeprägter die unternehmerische Tätigkeit von Frauen, wie beispielsweise in Italien und Polen beobachtet werden kann. In Schweden haben Frauen vergleichsweise gute Karrierechancen, was sich in der eher niedrigen Selbständigkeitsquote niederschlägt. Die Schlussfolgerung: Gestaltet sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt einfach, mindert dies offenbar die Motivation, sich selbstständig zu machen.
Gute Idee, machen wir auch nicht
Hierzulande kann dies jedoch kein Argument für den Aufschwung des Unternehmerinnentums sein: Im EU-Vergleich ist Deutschland wirtschaftlich gut aufgestellt, das Bruttoinlandsprodukt wird unter den Vergleichsländern der Studie (Österreich, Italien, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Polen und Deutschland) nur von Österreich und Schweden übertrumpft. Warum also geben Frauen ihre gesicherte Arbeitsstelle auf, um das Risiko der Selbständigkeit auf sich zu nehmen? Weil sie (es) wollen. Und können: Frauen sind zunehmend besser ausgebildet und bestrebt, dies auch auf dem Arbeitsmarkt unter Beweis stellen.
Darüber hinaus können nicht nur äußere Zwänge, sondern auch die intrinsische Motivation als Triebfeder zur Gründung eines eigenen Projekts dienen. Die eigene Chefin sein, selbstbestimmt arbeiten und vor allem: Ideen voranbringen - die Vorzüge der Selbständigkeit liegen auf der Hand, denn Vorschläge und Initiativen von Einzelpersonen stoßen in großen Unternehmen oft auf geringes Interesse. Das musste auch Unternehmerin Claudia Weber in der Vergangenheit erfahren: "Mir kam dann immer öfter der Spruch ´Gute Idee. Machen wir auch nicht!´ in den Sinn", erinnert sie sich. Mit ihrem Online-Shop für Vintagemode Von Anderen Berlin wagte sie im September 2011 schließlich den Schritt in die Selbständigkeit.
Tradition als Hindernis
Dennoch existieren noch immer Faktoren, die den Unternehmensgeist hemmen. Zum einen mangelt es Existenzgründerinnen an positiven Vorbildern, die weiblich belegt sind. Vor allem die MINT-Berufe werden noch immer als eindeutige Männerdomäne betrachtet - Frauen hingegen treten vor allem im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen, im Einzelhandel, in der Pflege und im Finanzsektor als Selbständige in Erscheinung.
Interessant ist ebenfalls, dass sich viele Unternehmerinnen mit eben dieser Bezeichnung nicht identifizieren können und wollen - zu negativ belegt ist sie in den Augen vieler Frauen in der Wirtschaft. Dabei steht für weibliche Gründerinnen nicht primär die Gewinnmaximierung, sondern vor allem hohe qualitative Standards, ein sinnvoller Einsatz von Ressourcen sowie ein gutes Verhältnis zu den Angestellten im Vordergrund. Kurz: Weibliche Unternehmerinnen wollen nachhaltig wirtschaften - wenn mensch sie lässt. Denn ein weiteres Problem für viele potentielle Selbständige stellt die Kinderbetreuung dar. Obwohl bereits 89 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kinder formal betreut werden - 40 Prozent davon sogar ganztags - gestaltet sich die Situation für jüngeren oder älteren Nachwuchs schwierig: Das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren ist gering, ebenso wie das für Schulkinder ab sechs Jahren.
Die Familienpolitik bleibt somit - neben dem männerdominierten Unternehmerbild, vor allem im technischen Bereich, und der Arbeitsmarktpolitik - eine Baustelle im Unternehmerinnenland Deutschland.
Die vollständige Studie finden Sie unter:
www.bmwi.de
Weitere Infos unter:
www.ramboll-management.de
Angebote und Beratung zu Existenzgründung von Frauen finden Sie u.a. unter:
www.gruenderinnenzentrale.de
www.akelei-online.de
www.economista.de
www.weiberwirtschaft.de
www.mintzukunftschaffen.de
www.dasfinanzkontor.de
www.existenzgruenderinnen.de
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